Von Goldberger (3. v. r.) und Mitspieler des Freiburger FC, Meister von 1907, Quelle: Eintracht Frankfurt Museum

Paul von Goldberger

Geboren am 14.01.1888 in Wien, Österreich
Gestorben am 26.02.1942 in Lodz
Ermordet im Holocaust
Spieler
Torwart
Erfolge:
  • Deutscher Meister 1907

Todesanzeige des Vaters, Quelle: Eintracht Frankfurt MuseumDr. Paul von Goldberger, genannt „Gilly“, hat schon eine Odyssee hinter sich, als er im Februar 1911 nach Frankfurt kommt und sich dem Eintracht-Vorgängerverein Kickers anschließt. Die Goldbergers sind eine jüdische Familie aus Budapest, wo Ferenc Goldberg 1784 eine Textilfabrik gründete, die sich zur größten in Ungarn entwickelte.

Da sie 1848/49 das ungarische Revolutionsheer mit Uniformen ausgestattet hatten, wurde das Unternehmen nach Niederschlagung der Unabhängigkeitsbestrebungen mit hohen Reparationen belegt. Im Zuge des österreichisch-ungarischen Ausgleichs wurde die Familie 1867 geadelt und nannte sich fortan Buday-Goldberger oder Goldberger de Buda.

Edmund Goldberger de Buda war als Vizepräsident des Verwaltungsratsder Fa. Samuel F. Goldberger & Söhne in Wien ansässig und hatte sechs Kinder. Er starb am 6. September 1908. In der Todesanzeige in der „Neue Freie Presse“ ist Paul Philipp Herbert Goldberger de Buda an erster Stelle genannt.

Nach bestandenem Abitur 1899 beginnt Paul 1901 an der Technischen Hochschule in Charlottenburg ein Chemie-Studium. 1905 wechselt er an die Universität Basel, wo er 1908 mit „Studien über das N-Bromphtalimid“ promoviere. Seine fußballerische Laufbahn gehtmit diesen Stationen weitgehend konform. Von 1898 bis 1900 taucht sein Name in Aufstellungen des First Vienna FC auf, mit dem er 1900 den Challenge Cup gewinnt, ein von der Vienna 1897 ausgeschriebener Wettbewerb für alle Fußballvereine der k. u. k. Monarchie. Am 3. April 1899 steht„Gilly“ auch in der Wiener Auswahl (dem Vorläufer der österreichischen Nationalmannschaft) beim 0:15 gegen die Oxford University. 1900/01 spielt er für den MFC in der Budapester Liga, während seines Studiums in Charlottenburg trägt er das Trikot des BTuFC Britannia (heute BSV 92), Berliner Meister der Jahre 1903 und 1904.

Während seiner Berliner Zeit taucht er bereits in einer Mitgliederliste des FFC 1899-Kickers auf. In Basel schließt er sich 1905/06 den Old Boys an. 1906/07 wird er als Torwart mit dem Freiburger FC Deutscher Meister. Von 1907 bis 1910 ist er für den Budapester Zweitligisten „33 FC“ aktiv, der 1910 in die oberste Spielklasse aufsteigt.

Während seiner Budapester Zeit kommt Paul von Goldberger sogar zu Länderspiel-Ehren. Am 5.April 1908 hütet er beim 2:5 in Prag gegen Böhmen unter dem Namen „Gilly-Goldberger Pál“ das Tor der ungarischen Nationalmannschaft. Ab 30. Dezember 1910 ist „Gilly“ wieder in Wien unter der Anschrift „Zelinkagasse 2/3/9“ im 1. Bezirk gemeldet, er lässt sich am 30. Januar 1911 in der römisch-katholischen Pfarrei Schotten taufen.

Am 6. Februar 1911 meldet er sich nach „Höchst, Hostatostraße 6“ ab und wird in der Vereins-Zeitung der Frankfurter Kickers am 15. Februar 1911 als neues Mitglied vorgestellt. Am 19. Februar trägt er im Meisterschaftsspiel beim SV Wiesbaden (0:5) zum ersten Mal das Kickers-Trikot. Dank seiner Erfahrung wird er auf der Generalversammlung am 7. April zum 1. Kapitän gewählt und legt nach der Fusion mit der Victoria den Grundstein für die Erfolge des Frankfurter Fußball-Vereins in den Jahren 1911 bis 1914. Am 12. November 1912 bestreitet er gegen Kickers Offenbach (3:2) sein 350. Wettspiel. Für die Frankfurter Kickers und den Frankfurter Fußballverein spielt er 30 Mal und erzielt 7 Treffer.

Mit „Gilly“ übernimmt ein „Meister in der feinen Technik des Fußballspiels“ das Kommando auf dem Platz. „Unbeirrt durch alle Angriffe, die vonseiten der Mitglieder natürlich nicht ausblieben, ging unser Doktor seinen Weg. – Anstelle eines ausgeprägten Einzelspiels wurde uns ein Kombinationsspiel vorgeführt, wie man es bisher bei Nordkreisvereinen noch nicht gesehen hatte.“ (Vereins-Zeitung vom 19. Juli 1912)

Mit dem Gewinn der Nordkreismeisterschaft 1912 wird seine Arbeit auf Anhieb gekrönt und man hofft, „dass uns unser Gilly noch lange erhalten bleibt!“ (Vereins-Zeitung vom 15. März 1912) Doch genauso überraschend, wie er im Februar 1911 in Frankfurt erschienen war, so überraschend kommt sein Abschied im Juli 1912. „Es ist charakteristisch für sein schlichtes Wesen, dass er dem Vorstand derart spät seine Abreise mitteilte, dass er den Ehrungen bei der Abschiedsfeier entgehen konnte. Sehr schwer nur kann man das würdigen, was er für unseren Verein geleistet hat. – Seit Freitag, 12. Juli, weilt Gilly nicht mehr hier.“ (Vereins-Zeitung vom 19. Juli 1912)

Es sind wohl berufliche Gründe, die ihn Abschied aus Frankfurt nehmen lassen. Sein Fortgang bedeutet auch das Ende seiner aktiven Laufbahn, obwohl er später in Wien „als anerkannter Fußballjournalist tätig ist, wie in der Festschrift „30 Jahre Eintracht“ berichtet wird. Hobbymäßig spielt Paul noch bei vielen Vereinen, u.a. bei Victoria Hamburg, dem Lüneburger SK, dem MTV 1879 München, TV 1861 Landshut und Saxonia Tangermünde.

In einem Kriegsrundschreiben des FFV vom 18. Juni 1915 wird er als Leutnant mit der Adresse „Reserve Hospital Nr. 11“ in Wien aufgeführt. Bis kurz vor Weihnachten 1916 ist er in Tangermünde (heutiges Sachsen-Anhalt) gemeldet und ab Januar 1917 in Deutschbrod (Böhmen). Laut Meyers Konversations-Lexikon von 1897 gab es in Tangermünde eine chemische Fabrik. Deutschbrod war ein wichtiger Eisenbahnknotenpunkt mit Textil- und Maschinenfabriken. Ab Weihnachten 1917 ist Paul von Goldberger wieder in Wien gemeldet, er wird Ende Juli 1918 eingezogen und kehrt nach Kriegsende aus Budapest endgültig nach Wien zurück.

Im August 1927 startet in den Vereins-Nachrichten der Eintracht eine 10-teilige Serie unter dem Titel „Aus meinen Sportjahren“, in der Paul von Goldberger sein Sportlerleben noch einmal von den Anfängen an Revue passieren lässt. Die Verantwortlichen bedanken sich dabei beim Verlag der Fußballwoche für die Genehmigung des Abdrucks der Memoiren. In der 8. Fortsetzung vom August 1928 erinnert sich Gilly an seine Zeit in Frankfurt: „So standen die Dinge, als mich mein Beruf nach Höchst a. M. führte – der erste Gedanke war natürlich Fußball – der zweite ein Brief mitmeiner Anmeldung an die Frankfurter Kickers. Am Bahnhof empfingen mich dann der Präsident Hetebrügge und Georges Metzger, der mich von früher kannte und später einer meiner treuesten Mitarbeiter war. Ich hatte keine Ambition mehr – arbeiten und in einer unteren Mannschaft ein bisschen spielen war mein Programm.“

Auf den folgenden Seiten beschreibt Gilly dann, das es auch bei den Kickers und später beim Frankfurter Fußball- Verein ganz anders kam. Er spielte in der Mannschaft, arbeitete im Vorstand, war bei der Planung für den neuen Sportplatz an der Roseggerstraße maßgeblich beteiligt und und feierte große Erfolge.

So erreichte der Frankfurter Fußball-Verein erstmals die Spiele um die Süddeutsche Meisterschaft. Mit dem „Anschluss“ an das deutsche Reich beginnt 1938 auch in Österreich die Ausgrenzung der Juden. Die Pogrome vom November 1938 finden auch in vielen österreichischen Städten statt. Ab 1940 werden Juden aus der „Ostmark“ deportiert. Dr. Paul Goldberger wird am 23. Oktober 1941 nach Litzmannstadt verschleppt. Hier wohnt er zunächst in der Richter-Straße, später in der Kreuz-Straße. Sein weiteres Schicksal und sein Todesdatum sind nicht bekannt.

Auch der ungarische Zweig der Familie Goldberger bleibt vom Schrecken des 2. Weltkriegs nicht verschont. Dr. Leo Buday-Goldberger, Direktor der Textilfabrik und Mitglied des ungarischen Oberhauses, wird nach der deutschen Besetzung Ungarns 1944 ins KZ Mauthausen deportiert, wo er am 5. Mai 1945 stirbt. Die Fabrik wird 1948 verstaatlicht und bis Ende der 1980er Jahre als Warenhaus und „Dollarshop“ genutzt, wo man für Devisen exklusive ausländische Artikel erstehen kann. Das „Goldberger Haus“, erbaut 1909, beherbergt heute das „Open Society Archiv“, das sich mit der Zeit des Kalten Kriegs, der Geschichte der ehemaligen kommunistischen Länder Ostmitteleuropas und Kriegsverbrechen beschäftigt.

„In den Annalen unserer Vereinsgeschichte wird sein Name stets mit goldenen Lettern eingeprägt sein“, schrieb die Vereins-Zeitung des FFV 1912 zu Paul von Goldberger. Von 1933 bis 1945 galt dies nicht mehr und so taucht Gillys Name in der Jubiläumsschrift „40 Jahre Eintracht“ (1939) nicht auf. 1949 werden seine sportlichen Verdienste erwähnt und den Opfern des Krieges ganz allgemein gedacht: „Die Menschen, die den reinen, von keinem Haß und keiner Feindschaft getrübten Gedanken des Sports in ihrem Herzen trugen, wanderten mit Trauer und Grauen durch die zusammenstürzende Welt.“ Auch 1959 und im Eintracht-Report (1974) taucht Gillys Name auf, in letzterem sogar mit dem Zusatz „verstorben“. Sein Schicksal allerdings bleibt unerwähnt.

Autor: Ulrich Matheja

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