19. Oktober 1924 in Paris. Die Mannschaft um Fritz Leiserowitsch (rechts) besiegt in einem fulminanten Spiel den Club Français., Quelle: Fotograf unbekannt; Sammlung Buschbom

Fritz Leiserowitsch

Geboren am 26.09.1898 in Dresden, Deutschland
Gestorben im März 1943 in Auschwitz
Ermordet im Holocaust
Spieler
Spieler, Schiedrichter, Funktionär

Das Sportlokal Café Radmann wurde von der Schwester Luise Leiserowitsch, verheiratete Radmann, und ihrem Mann Siegmund in Prenzlauer Allee 7-8 betrieben., Quelle: Club-Nachrichten vom Berliner Tennis-Club "Borussia" e. V., Nr. 1, 1922Der jüngste der Leiserowitsch-Brüder war wie Simon ein ausgesprochen begabter Fußballer. Zunächst spielte Fritz bei den Junioren der Tennis Borussia, in der Ersten Mannschaft wird er erstmals bei einem Spiel am 17. Oktober 1915 gegen Concordia-Berlin namentlich hervorgehoben.

Das Brüderpaar Simon und Fritz Leiserorwitsch bildete auch auf dem Platz, als Mittelläufer auf dem linken Flügel, ein Duo. Äußerst erfolgreich, wie die Presse meldet: „Beide Parteien sind nicht müßig und besonders der linke Flügel Gebrüder Leiserowitsch bricht immer wieder durch. Bis zur Pause stellt Tennis-Borussia das Resultat auf 5 : 3. Nach dem Wechsel ist das Spiel verteilt und Concordia kann sogar ausgleichen. Tennis-Borussia ist jetzt weniger erfolgreich, zumal auch Reimann und Ziemann in der gegnerischen Verteidigung gut arbeiten. Leiserowitsch I kann dann durch einen seiner bekannten Kopfbälle den Sieg seiner Partei geben.“ Bemerkenswert an dieser Begegnung ist vor allem, dass die Tennis Borussen ihren „guten Torwächter“ Hermann Reimann und den Verteidiger Ziemann an den Gegner zur Halbzeit gewissermaßen ausleihen mussten, damit es überhaupt zustande kommen konnte. Der Erste Weltkrieg hatte tiefe Lücken in die Mannschaften gerissen, und dem Gegner mit dem eigenen Personal auszuhelfen, war durchaus übliche Praxis, vor allem, wenn die Vereine freundschaftlich zueinander standen. Am 28. November trafen Union Oberschöneweide mit zehn und Tennis Borussia mit acht Spielern aufeinander, Simon Leiserorwitsch stand zunächst im Tor. Als doch noch ein Torwart gefunden wurde, wechselte Leiser I zu seinem Bruder auf den linken Flügel „und leitet gefährliche Durchbrüche ein“. Das Spiel endete 1:0 für die Tennis Borussen, „[b]ei Tennis war jeder auf seinem Posten, besonders gut waren der Mittelläufer Leiserowitsch und Leiserowitsch (Fritz).“

Nicht nur mit Blick auf das sportliche Geschehen, stellten die Kriegseinberufungen die Vereine vor kaum zu überwindende Schwierigkeiten. Betroffen waren auch die Leitungs- und Funktionsteams der Clubs. Besonders augenscheinlich wird die strukturelle Krise der Sportvereine bei Tennis Borussia in der Personalie Fritz Leiserowitsch, der am 26. September 1915 seinen 17. Geburtstag gefeiert hatte. Die Generalversammlung des Clubs vom Dezember 1915 bestellte den Teenager zum Schriftführer und Sportwart. Sein sieben Jahre älterer Bruder Simon wurde zum Spielführer bestellt, später übernahm er die Leitung der Fußballabteilung. Als Söhne jüdischer Flüchtlinge aus dem weißrussischen Minsk galten die Leiserowitsch-Brüder nach Kriegsausbruch als „feindliche Ausländer“ und wurden deswegen nicht zum Kriegsdienst eingezogen. Sie widmeten ein Gutteil ihrer Zeit dem Club. Das änderte sich auch nach dem Kriegsende nicht, bis weit in die 1920er Jahre hinein blieb Fritz Leiser dem Verein nicht nur als Fußballer erhalten, sondern auch in verschiedenen Funktionen, so beispielsweise 1922 als Mitglied einer Kommission, die dem Vorstand unter Ulrich Rüdiger zuarbeiten soll, und er darüber hinaus in den Spielausschuss gewählt wird.

Weit über zehn Jahre läuft Fritz Leiserowitsch für die Tennis Borussen auf, schon früh wird er zur Stütze der Ersten Mannschaft, insbesondere immer dann, wenn Simon doch einmal verhindert ist. Ein Gesellschafts-, d. h. Freundschaftsspiel gegen Frisch-Auf-Luckenwalde gerät im August 1916 unter der „umsichtigen Leitung“ des 17jährigen mit 12:0 zu einem wahren Torreigen.

Der sportlich sicherlich größte Erfolg waren die Spiele im Oktober und November 1924 die Spiele gegen den Club Français. Erstmals trafen zwei Mannschaften der ehemaligen Kriegsgegner aufeinander. Dass die Wahl für dieses hoch symbolträchtige Spiel ausgerechnet auf Tennis Borussia fiel, provozierte „blutrünstige Töne“ insbesondere der nationalistischen Presse. Der Verband erklärt die Entscheidung gegenüber der Fußballwoche, man habe die Zustimmung erst gegeben, als man sicher war, eine Mannschaft gefunden zu haben, die nicht nur spielstark sei, sondern sich auch „mit Takt und verständnisvollem Auftreten“ in Paris auszeichnen werde. Das Hinspiel auf der Pariser Buffalobahn gewannen die Lila-Weißen 3:1, das Rückspiel in Berlin endete mit 5:1 eher zu knapp, denn zu hoch für die Tennis Borussen. Beiden Spielen folgte DFB-Präsident Felix Linnemann mit Argusaugen. Während des abschließenden Festaktes gab er der Mannschaft seine Erleichterung zum Ausdruck: „Groß und gefährlich war das Unternehmen, und, meine Herren, seien Sie überzeugt, so groß die allgemeine Sympathie nach dem Gelingen heute ist, gesteinigt hätte man Sie, wäre der Verlauf ein anderer geworden.“ Für das musikalische Begleitprogramm sorgte am Abend des 19.11.1924 der älteste Bruder, Kapellmeister Leopold Leiserowitsch.

Simon floh bereits 1933 vor dem Naziterror, Leopold, der älteste Leiserowitsch Bruder überlebte im Berliner Untergrund. Fritz Leiserowitsch, seine Frau Amalia und Töchterchen Baschewa wurden im März 1943 in Auschwitz ermordet.

Als Leopold 1951 verstarb, gedachten die Club-Nachrichten den Brüdern Leiserowitsch:

„Leopold Leiserowitsch weilt nicht mehr unter den Lebenden. (…) Seine Liebe zum Club kam jedoch erst so recht zum Ausdruck, als er nach vielen Jahren unendlichen Leids, das ihm und seinen Familienangehörigen aus politischen Gründen wiederfahren war, sich vor kurzem erneut unserem Club anschloss, in dem er mehr als 18 Jahre hindurch nicht Mitglied sein durfte. Sein Entschluss, sich uns offiziell wieder anzuschließen, konnte vom menschlichen Standpunkt aus nicht hoch genug eingeschätzt werden. (…)

Welch tragische und grausame Inkonsequenz liegt in dem Umstand begründet, dass ein Mensch wie Fritz Leiserowitsch, der mehrere Male in Auswahlmannschaften die Farben Berlins vertrat, später von den politischen Gewalthabern seiner Heimat auf barbarische Weise umgebracht wurde! Welch traurige Reminiszenz überkommt uns, wenn wir bedenken, dass ein Mensch wie Simon Leiserowitsch, nachdem er etwa dreißigmal in der Berliner Stadtelf gestanden hatte, Deutschland verlassen musste, weil bösartige und von einem politischen Machtrausch befallene Menschen die Gesetze der Humanität missachteten. Erst wer diese hier nur dezent angedeuteten Vorgänge in ihrer ganzen Tragweite erfasst hat, wird ermessen können, welch Beispiel menschlicher Größe uns unser kürzlich verstorbener Leo Leiserowitsch gegeben hat, als er sich dafür entschied, mit seinen alten Borussen wieder gesellschaftlichen Kontakt aufzunehmen.

Leo und Fritz sind tot. ‚Sim‘ lebt als letzter der drei Brüder in Israel.

Die letzte Geste seines jüngst verstorbenen Bruders Leo wird für uns eine große Verpflichtung sein.“

Autor: Jan Buschbom

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