Quelle: Eintracht Frankfurt Museum

Max Lehmann

Geboren am 8.12.1914 in Frankfurt
Gestorben am 24.8.1976 in Frankfurt
Spieler

Stolpersteine für die Brüder Lehmann an der Gustav-Behringer-Straße 10 , Quelle: Eintracht Frankfurt MuseumMax Lehmann wurde am 08. Dezember 1904 in Frankfurt geboren. Zehn Jahre später gab es bei der Familie Lehmann noch einmal Nachwuchs, am 21. September 1914 erblickte der „Nachzügler“ Julius Lehmann das Licht der Welt. Die beiden Geschwister lebten in den 1920er Jahren mit ihrer Mutter Sara in der Hanauer Landstraße 116, der Vater Joseph, von Beruf Bürogehilfe, war kurz nach der Geburt von Julius verstorben.

Im Hause Lehmann spielte unsere Eintracht eine große Rolle, Max engagierte sich in der Jugendabteilung und war ein aktiver Werber für den Verein. Immer wieder tauchen in den Vereins-Nachrichten aus den späten 1920er Jahren Neuanmeldungen auf, die von Max Lehmann initiiert wurden. Im Oktober 1929 sorgte Max dafür, dass gleich neun Frankfurter, alle aus der Umgebung der Wohnung in der Hanauer Landstraße, bei der Eintracht Mitglied wurden. Unter den Neumitgliedern war auch sein Bruder Julius. Sein Engagement brachte Max beim Verein diverse Ämter ein: 1930 übernahm er die Betreuung der D1-Jugend und 1931 wurde er Schriftführer der Jugendabteilung.

Julius, bei seinem Vereinseintritt 15 Jahre alt, kickte aktiv am Riederwald. Er durchlief die Jugendmannschaften und wechselte dann in die 2. B-Mannschaft. Karl Kraus, heute mit 90 Jahren eines der ältesten Vereinsmitglieder, erinnert sich noch gut an den Verteidiger, den alle nur Jule nannten. „Ich habe mit dem Jule nicht zusammengespielt, er war einige Jahre älter als ich. Der Julius Lehmann war aber ein dufter Typ. Ich bin manchmal mit dem Werner Beresheim mitgegangen, als der schon bei den Junioren gespielt hat. Da haben wir uns auf das Fahrrad gesetzt und sind zum Riederwald gefahren. Und da habe ich den Jule kennengelernt, weil er in der Mannschaft gespielt hat.“

Der mittlerweile verstorbene Werner Beresheim war einst eng mit Julius Lehmann befreundet und erinnerte sich 2003 in einem Interview: „Der Jule hat ja bei Mercedes Benz gearbeitet, in der Mainzer Landstraße. Er war Automechaniker. Nachher hat er ein Auto gehabt und gesagt: Wer geholt werden will, der sagt mir Bescheid. Ich hole euch alle ab. Ihm kam zugute, er hat alles von Autos gewusst. Du konntest dem erzählen, was du willst. Wenn einer was hatte mit dem Auto, hat man gesagt: Geh bei den Jule, der macht das. Zack-zack hat er untendrunter gelegen, er hat so eine Plane gehabt, und hat repariert. Ein guter Kerl.“

Die Machtübernahme der Nationalsozialisten änderte das Leben der Familie Lehmann schlagartig. Denn Sara, Max und Jule waren jüdischen Glaubens. Vor 1933 war das kein großes Thema, wie sich Karl Kraus erinnert. „Man wusste doch meistens von den Mitspielern gar nicht, ist der Christ oder Jude. In der Kabine und nach dem Spiel wurde über Fußball gesprochen.“ Doch mit der nationalsozialistischen Hetze änderte sich das. Bereits 1933 gab es eine Anweisung, das „Personen, die jüdischen Glaubens sind oder in der marxistischen Bewegung aktiv waren“, in führenden Positionen nicht mehr tragbar sind. Wie weit „führende Positionen“ definiert wurde, sieht man am Beispiel von Max. Noch im Mai 1933 hatten sich Vereinsvertreter des FC Waldkirch bei der Eintracht für die „Mühe und Arbeit“, die Max anlässlich des Osterbesuchs der Vereinsjugend am Riederwald hatte, bedankt.

Als Vereinsjugendführer Wilhelm Ewald im Juni 1933 die Berufungen zu Mitarbeitern in der Jugendabteilung bekannt gab, gehörte Max offiziell nicht mehr dazu. Im Entnazifizierungsverfahren berichtete Ewald später über jüdische Mitstreiter in der Jugendarbeit: „So beließ ich 1933 die im Jugendausschuss und in der Jugendabteilung tätigen Juden (Namen können in der Verhandlung angeführt werden), bis dieselben etwa Anfang 1934 infolge der Entwicklung ihre Tätigkeit einstellen bzw. auf höhere Weisung einstellen mussten.“

Während Max seine offizielle Funktion bei der Eintracht schon 1933 aufgeben musste, blieb Jule zunächst weiterhin im Team. Und die engen Freundschaften halfen ihm, die bedrohliche Lage besser zu ertragen. Werner Beresheim erinnerte sich einst im Interview: „Er hat einen schweren Stand gehabt, aber der Moppel Alt, der Helmut Mechling und der Karl Becker, die haben ihm sehr geholfen. In der Braubachstraße war eine Gaststätte Zum Zunfthof, da sind wir oft hin. Der Werner Klingelhöfer hat Musik am Flügel gemacht. Die haben ihm immer gesagt: Hier, komm zu uns an den Tisch. In der Mannschaft gab es keine Probleme mit dem Lehmann.“

1934 reiste Jule Lehmann an Pfingsten mit der 2. B-Mannschaft nach Lütze-Wiebelsbach. Das erste Spiel endete 3:3, danach gab es ein fröhliches Fest mit den Gastgebern, über das Moppel Alt in den Vereins-Nachrichten berichtet: „Einige sollen zwar nicht mehr ganz gerade nach Hause gekommen sein, und der Standardverteidiger wollte auf einer Wiese liegen bleiben, weil ihm der Weg so weit war.“ Es spricht vieles dafür, dass Jule der liegengebliebene Standardverteidiger war, denn in vielen Berichten der Vereins-Nachrichten wird von lustigen Aktionen von Jule berichtet. Dass die Mannschaft den jüdischen Mitkicker eher vor der Öffentlichkeit versteckt hat, war jedenfalls nicht so, in den Vereins-Nachrichten taucht sein Name immer wieder auf. Das zweite Spiel am folgenden Tag wurde – trotz vermutlich kräftigem Alkoholkonsum am Vorabend- souverän mit 10:4 gewonnen.

In den Vereinen des nationalsozialistischen Deutschlands wurde der Umgang mit Juden Mitte der 1930er Jahre unterschiedlich gehandhabt. Einzelne Verbände wie die Turner oder die Boxer hatten schon 1933 mittels sogenannter „Arierparagraphen“ die Mitgliedschaft von Juden ausgeschlossen. Auch einzelne Fußballvereine hatten den „Arierparagraphen“ 1933 in die Satzung aufgenommen und jüdische Mitglieder ausgeschlossen. Die oberste Sportbehörde spielte in der „Judenfrage“ auf Zeit, schließlich waren für den Sommer 1936 die Olympischen Spiele geplant. In Berlin wollte man Deutschland als friedliebende Nation präsentieren und der Ausschluss einer ganzen Bevölkerungsgruppe brachte die Gefahr von Boykott-Aktionen einzelner Länder mit sich. Den Boykott der Spiele wollte man unter allen Umständen verhindern. So befanden sich die wenigen verbliebenen jüdische Sportler in den Vereinen bis 1936 oft in einer akzeptierten Nische.

Auch Jule Lehmann fand in dieser Nische bei der Eintracht ein wenig Normalität im immer unerträglicher werdenden Alltag. 1935 reiste er mit der 2. B-Mannschaft zu einer Osterfahrt nach Allendorf. Hier siegte das Team, das zuvor in der Verbandsspielrunde Meister geworden war, mit 3:2. Die Feier am Abend war wohl wieder recht ausschweifend, laut Bericht in den Vereins-Nachrichten fanden sich am nächsten Morgen in Jule Lehmanns Anzug einige zerdrückte Eier.

Selbst nach dem Ende der Olympischen Spiele, als bei den Vereinen in Deutschland eine „zweite Gleichschaltung“ stattfand und der Druck auf die verbliebenen Juden größer und größer wurde, kickte er mit seinen Freunden weiter. Im Juni 1937 reiste Jule mit der Dritten Mannschaft der Eintracht zu zwei Freundschaftsspielen in den Vogelsberg. Dabei war auch wieder sein bester Kumpel Karl „Moppel“ Alt. In den Vereins-Nachrichten wird über die erfolgreiche Reise wie folgt berichtet: „Den großen Wagen steuerte unser Kapitän Alt, den Opel hatten wir dem Mercedes-Fahrer Lehmann anvertraut und hatten damit bestimmt keinen schlechten Griff getan. Seine große Fahrweise und Kurventechnik erinnerte uns lebhaft an seinen Stallgefährten Lang, weshalb er auch nur noch auf den Namen Hermann hören wollte.“ Den berühmten Rennfahrer Hermann Lang hatte Jule Lehmann übrigens schon live gesehen. Regelmäßig fuhr er mit seinen Eintracht-Kumpels zu Autorennen an den Nürburgring. Da wurde dann gezeltet, gefeiert und Autorennen geschaut. Julius, bzw. Jule, bzw. Hermann hatte übrigens noch einen weiteren Spitznamen: „Sesta“. Karl Sesta war genau wie Julius Verteidiger, allerdings in der Österreichischen Nationalmannschaft, die Anfang der 1930er Jahre als das „Wunderteam“ galt.

Im Vogelsberg gewann die Eintracht die beiden Spiele in Steinberg und Gedern, in beiden Partien erzielte Jule noch ein Tor. Sein Tor in Gedern wird in den Vereins-Nachrichten wie folgt beschrieben: „Elfmeter. Der Torwart suchte Lehmann dadurch zu irritieren, dass er ihm bis zur 6-Meterlinie (steht da echt so) entgegenkam. Wenn Jule noch etwas gewartet hätte, wäre er ihm sicher um den Hals gefallen. Aber das störte ihn nicht im Geringsten; von der Innenkante sprang der Ball ins Netz.“

Der Bericht über die Vogelsbergreise im Sommer 1937 ist der letzte Artikel in den Vereins-Nachrichten, in dem Julius Lehmann auftaucht. Noch im gleichen Jahr musste er seine Eintracht verlassen. Auch an das Fernbleiben von Julius Lehmann erinnerte sich Werner Beresheim beim Interview 2003: „Er hat schon seine Last gehabt, man wusste ja, dass er Jude war. Das war schon schlimm für ihn. Er musste sich zurückziehen. Schuld, dass er gegangen ist, war sein Bruder. Der hat gesagt: Wir müssen uns fortmachen, sonst kommen wir nicht mehr klar. So ist es auch gegangen. Auf einmal ist er fortgeblieben. Da haben wir gefragt: Was ist denn mit dem Jule los? Wieso spielt der nicht? Das und das und das. Der kommt nicht mehr, hat dann einer gesagt. Wie das so war… Es war schon nicht gut. Er war ein sehr guter Sportkamerad. Wo er dann hingegangen ist, wussten wir nicht. Ich habe ihn nie mehr gesehen.“

Anlässlich des 100. Geburtstags unserer Eintracht berichtete der Historiker Dr. Thomas Bauer 1999 erstmals über den jüdischen Eintrachtler Julius Lehmann. In seinem Buch „Frankfurt am Ball“ erwähnte Bauer den Kicker, der von seinem Kumpel Moppel Alt 1937 angeblich in die sichere Schweiz gebracht wurde. Karl „Moppel“ Alt, der in Frankfurt ein bekannter Schiedsrichter und ein Original war, wurde 1995 von der Stadt Frankfurt mit der Johanna-Kirchner-Medaille geehrt, weil er „seinen Freund Julius Lehmann unter großer Gefahr regelmäßig mit Lebensmitteln unterstützte und zeitweise vor den Nazis versteckte“. Kurz vor seinem Tod erinnerte sich der betagte Moppel Alt, dass er Julius Lehmann über Lörrach in die Schweiz gebracht habe. Nach Kriegsende wollte Alt seinen Freund sogar noch einmal getroffen haben. „Genaueres konnte der alte Mann jedoch nicht erzählen“, berichtet Renate Kingma im Buch „Spuren der Menschlichkeit. Hilfe für jüdische Frankfurter im Dritten Reich“.

Tatsächlich hat die Geschichte von Jule Lehmann kein Happy-End. Als Anfang der 2000er Jahre erste Recherchen zur Geschichte des Vereins während der NS-Zeit angestellt wurden, wandten sich Fans auch an die Einwanderungsarchive der Schweiz. Die Antworten waren bedrückend: In keinem der Archive war ein Flüchtling namens Julius Lehmann bekannt. Und dann kam der Zufall zur Hilfe. Bei einer Fotoausstellung lernten wir Dieter Hofmann aus Sachsenhausen kennen. Hofmann stand vor einem Bild der Eintracht-Mannschaft mit Julius Lehmann und grummelte beim Lesen der Bildunterschrift „Das stimmt aber so nicht“. Im Gespräch stellte sich heraus, dass Gisela Hofmann, die Frau von Dieter, entfernt verwandt ist mit Max Lehmann, dem Bruder von Julius. Und Dieter bestätigte, dass Julius Lehmann von den Nazis deportiert und umgebracht wurde.

In einem Interview erinnerte sich Gisela Hofmann: „Meine Mutter war die Cousine von Margarete, der Frau von Max Lehmann. Margarete war Christin, so lebte Max in einer sogenannten „Mischehe“. Die beiden hatten einen Sohn namens Karl-Heinz. Max war durch die „Mischehe“ zunächst geschützt, wurde aber 1945 auch nach Theresienstadt deportiert. Er hat die Deportation überlebt. Julius war ja nicht verheiratet und dadurch auch nicht geschützt. Der Max hat lange Zeit gar nichts über die Nazizeit erzählt, erst in den 1960er Jahren hat er angefangen darüber zu reden. Er hat dann berichtet, dass wohl 1937 jemand darauf aufmerksam wurde, dass Julius noch in einer Mannschaft bei der Eintracht spielte. Daraufhin wurde es ihm verboten. Max hat erzählt, der Julius hätte geweint wie ein Schlosshund. Seine Kameraden mussten ihn trösten, aber sie konnten ja an der Anweisung nichts ändern. Max hat auch gesagt, dass seine Familie beim Transport umgekommen sei. Julius könnte noch leben, wenn er damals in die Schweiz gegangen wäre, aber seine Mutter war krank und er konnte sie nicht alleine in Frankfurt lassen. Max hat berichtet, dass seine Mutter und sein Bruder gemeinsam deportiert wurden.“

Die Ermordung der Juden wurden von den Nationalsozialisten genau geplant und dokumentiert. In den angefertigten Deportationslisten finden sich die Namen der unglücklichen Menschen, die aus Frankfurt verschleppt und umgebracht wurden. Einige Deportationslisten sind allerdings nicht erhalten geblieben. Beim Blick in die Deportationsliste vom 18. August 1942 findet sich der Name Sara Lehmann. Julius taucht dort ebenso wenig auf wie im Gedenkbuch des Bundesarchivs.

Informationen zum Schicksal von Julius finden sich aber im Archiv des Amtsgerichts Frankfurt. Max Lehmann, der 1945 aus Theresienstadt zurückkehrte, musste seine Mutter und seinen Bruder nach Kriegsende für tot erklären lassen. Am 10. Dezember 1948 bescheinigte die Jüdische Gemeinde Frankfurt: „Der Sohn von Frau Lehmann, Julius Lehmann, geb. 21.9.14 in Frankfurt/M, zuletzt wohnhaft in Frankfurt/M, Hagenstr. 17 wurde nach unseren Informationen im Mai-Juni-Transport 1942, von denen wir keine Unterlagen mehr besitzen, nach dem Osten deportiert. Da er sich bis heute nicht zurückgemeldet hat, ist mit seinem sicheren Tode zu rechnen.“ Am 08. März 1949 beantragte Max Lehmann die Todeserklärung von Julius und seiner Mutter Sara. Gemäß Amtsgerichtsbeschluss vom 25. März 1949 wurden beide für tot erklärt, Anfang April wurde die Bekanntmachung in den Frankfurter Zeitungen veröffentlicht. Sara Lehmann verstarb am 14. Februar 1944 in Theresienstadt. Das Todesdatum von Jule wurde auf den 8. Mai 1945 festgesetzt, den Tag des Kriegsendes.

Die letzten Jahre von Jule Lehmann können mit den vorliegenden Informationen nur vage beschrieben werden. Seit 1938 musste er in seinem Ausweis den Zwangsnamen „Israel“ tragen, außerdem wurde sein Ausweis mit einem markanten „J“ gekennzeichnet. Die Pogrome vom 09. November 1938, als in Frankfurt neben vielen jüdischen Geschäften auch die Synagoge zerstört wurde, werden ihm auf bittere Weise gezeigt haben, wie radikal sich sein Leben seit den schönen Tagen bei der Eintracht geändert hatte. Bei der Volkszählung vom 17. Mai 1939 wohnte er zusammen mit seiner Mutter in der Hagenstraße 17. Zu diesem Zeitpunkt gab es längst Ausgangsbeschränkungen für Juden, einkaufen musste Julius in gesonderten Lebensmittelverkaufstellen, die oft nur sehr kurze Öffnungszeiten hatten. Seine Eintracht-Kumpels um Moppel Alt unterstützten ihn wohl weiterhin und vielleicht wurde ja die Flucht in die Schweiz tatsächlich geplant – durchgeführt wurde sie allerdings nie. Die Eintracht, sein ehemaliger Verein, entledigte sich 1940 per „Arierparagraph“ ganz förmlich ihrer jüdischen Mitglieder.

Ab 1941 mussten Sara und Julius in Frankfurt den Judenstern tragen. Die Mutter lebte zuletzt in der Rückertstraße 43, hier befand sich ein Sammellager, die Menschen arbeiteten als Zwangsarbeiter bei einer Firma für Rohrleitungsbau. Von hier aus wurde Sara am 18. Juni 1942 deportiert.

Bis heute konnten nur Teile der Namenslisten der im Frühjahr 1942 Deportierten gefunden werden. Am 8. Mai 1942 wurden aus Frankfurt 938 Personen, am 24. Mai 930 Personen und am 11. Juni 618 Personen verschleppt. Alle drei Deportationen waren für das Durchgangslager Izbica bestimmt. In einem dieser Transporte wurde Jule Lehmann vermutlich verschleppt. Bei den deportierten Menschen schauten die Nationalsozialisten ganz genau: Wer gesund und kräftig war, galt als „arbeitsfähig“. Wenn Julius noch „arbeitsfähig“ war, wurde er vermutlich in Lublin „ausgesondert“ und in das Konzentrationslager Majdanek gebracht. Dort betrug die durchschnittliche Lebenserwartung der Häftlinge drei Monate. Sollte Jule nicht mehr „arbeitsfähig“ gewesen sein, wurde er von Izbica wahrscheinlich in ein anderes Arbeitslager oder in das Vernichtungslager Sobibor gebracht, wo die Häftlinge in Gaskammern umgebracht wurden. So verliert sich die Spur des Eintrachtlers Julius Lehmann in den Konzentrationslagern im Osten.

Max Lehmann wurde bei Kriegsende von den Alliierten in Theresienstadt befreit. Er kehrte zurück nach Frankfurt, wo er seine Frau und seinen Sohn wiedertraf. Max, der bereits 1943 von den Nationalsozialisten zweimal ins Gefängnis gesteckt wurde, plante nach Kriegsende seine Ausreise in die USA. Die Pläne verwarf er später und blieb in Frankfurt, wo er bis zu seinem Tod im Jahr 1976 in Sachsenhausen lebte. Sein Grab befindet sich auf dem Südfriedhof. Sein Sohn Karl-Heinz, von allen nur Heinz genannt, wollte nach dem Erlebten nicht in Deutschland bleiben. Der Neffe von Jule Lehmann zog in die USA, wo er heiratete und zwei Kinder, Victor und Susi, bekam. Die Begeisterung für die Eintracht blieb in der Familie: „Bis zu seinem Tod hat hier Samstagnachmittags immer das Telefon geklingelt. Der Heinz war am Apparat und wollte wissen, wie die Eintracht gespielt hat“, erinnert sich Gisela Hofmann an die Anrufe aus Übersee.

Und auch heute ist die Eintracht in Amerika nicht vergessen: Victor hat bis heute ein Mannschaftsfoto seines Großonkels aufbewahrt: Jule Lehmann im Eintracht-Trikot im Kreise seiner Kameraden, aufgenommen vor der Tribüne des Riederwaldstadions, da wo Jule so viele schöne Stunden erlebt hatte. Susi war mittlerweile schon einige Male in Frankfurt, hat die Eintracht besucht und war bei Spielen. Und die Eintracht hat 2012 in Erinnerung an Jule und Max Lehmann am Riederwald Stolpersteine verlegt.

Autor: Matthias Thoma

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