Dr. Willy Michaelis bei sportärztlichen Untersuchungen in der Bundesschule des ATSB 1925, Quelle: Quelle: Andrea Lorz: Die Erinnerung soll zum Guten gereichen. Leipzig 2005, S. 176

Willy Michaelis

Geboren am 21.01.1886 in Meseritz (heute Międzyrzecz/Polen), Polen
Gestorben am 08.08.1961 in London
Sportarzt
Sportarzt

"Abmeldung" von Dr. Michaelis beim VfB 1936 nach mehr als 16 Jahren aktiver Mitarbeit , Quelle: VfB Mitteilungen. Offizielles Monatsblatt des Vereins für Bewegungsspiele zu Leipzig 1936, Nr. 9Dr. med. Willy Michaelis war Facharzt für Chirurgische Orthopädie sowie Sportarzt. Nach dem Medizinstudium (1906 bis 1910) in München, Berlin und Freiburg im Breisgau wirkte er ab 1912 als Assistenzarzt an der Universität Leipzig, bevor er 1914 eine eigene Praxis eröffnete. Als Sanitätsoffizier im 1. Weltkrieg musste er sich in einem Lazarett in Ostpreußen um die Rehabilitation von körperlich oft schwer verstümmelten Verwundeten kümmern. Die dabei erworbenen praktischen Erfahrungen in der Wiederherstellungschirurgie, bei der Herstellung von Prothesen sowie beim Einsatz radiologischer und elektrotherapeutischer Maßnahmen konnte er nach dem Krieg bei der Betreuung von Sportlern anwenden. Er entwickelte sich auch zu einem hochangesehenen Sportarzt, war 1924 Gründungsmitglied und von 1931 bis 1933 Vorsitzender des Deutschen Ärztebundes zur Förderung der Leibesübungen. 1928 gehörte er zum Ärzteteam für die deutsche Olympiamannschaft zu den Winterspielen in Sankt Moritz.

Hauptwirkungsstätte von Dr. Michaelis war neben dem Betreiben seiner eigenen Praxis ab 1920 die Bundesschule des Arbeiter-Turn- und Sportbundes Deutschlands in Leipzig, wo er hunderte Lehrgangsteilnehmer sportärztlich untersuchte, betreute und für ihre Tätigkeit als Übungsleiter in den Vereinen mit ausbildete. Zur gleichen Zeit wirkte er ehrenamtlich im VfB Leipzig als Sportarzt. Im Februar 1920 hatte er sich als Mitglied im damals größten Mehrspartenverein Sachsens angemeldet und im März nahm ihn der VfB in seine Reihen auf. "Unser Mitglied Dr. Willy Michaelis ... hat sich freundlichst bereit erklärt, Mitglieder des Vereins hinsichtlich ihrer sportlichen Tätigkeit kostenlos zu untersuchen und zu beraten", gibt der VfB unter der Überschrift "Vereins-Sportarzt" in seinem Juniheft 1920 bekannt. Dazu gehörten auch die Fußballer des VfB, von denen zu dieser Zeit allein zehn Mannschaften im Punktspielbetrieb standen.

Als der VfB am 15.12.1933 sein 40jähriges Vereinsjubiläum feierte, war Dr. Michaelis jedoch nicht unter den Gästen. Für seine übermittelten Glückwünsche sprach ihm der VfB neben vielen anderen Personen im Dezemberheft der Vereinsmitteilungen seinen herzlichen Dank aus. Im Juli 1936 musste jedoch auch Dr. Michaelis den VfB verlassen.

Er wurde am 10. November 1938 im Zuge des Novemberpogroms verhaftet (siehe auch bei Josef Rotter) und tags darauf ins Konzentrationslager Buchenwald verschleppt, wo ihn die SS unter der Pogromsondernummer 24495 registrierte. Nach 14 Tagen wurde er wieder entlassen mit der Maßgabe, Deutschland schnellstens - und natürlich möglichst unter Aufgabe seines Besitzes und Vermögens - zu verlassen. Im März 1939 emigrierte Dr. Michaelis mit seiner Familie nach London. In Coventry leitete er von 1943 bis 1948 die orthopädische Abteilung des Highland Hospital. Bis 1958 führte er in London eine eigene Praxis, vor allem zur Behandlung von Kinderlähmungen. 85jährig starb Dr. Willy Michaelis 1961 in London.

Autor: Dr. Gerlinde Rohr

Literaturverweise
VfB-Mitteilungen. Offizielles Monatsblatt des Vereins für Bewegungsspiele zu Leipzig e.V. 10. Jg. (1919) bis 27. Jg. (1936), Andrea Lorz: Dr. med. Willy Michaelis. Orthopäde, Sport- und Unfallmediziner. In: Die Erinnerung soll zum Guten gereichen. Aus dem Leben und zu den Leistungen Leipziger jüdischer Ärzte. Leipzig 2005, S. 169-183, Stadtgeschichtliches Museum Leipzig. Sammlungen Fotos, Dokumente und Postkarten (Inventarnummern bei der Autorin), Merkblätter der Arbeiter-Turn- und Sportschule des ATSB Nr. 1 und weitere bis 1933.
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