Quelle: Goldmann, Bernhard - Der Verein, Band 1: Große Fußballtradition - Hamburg 2021

Walter Leo Hersch

Geboren am 20.03.1908 in Würzburg, Deutschland
Gestorben am 27.03.2005 in Saint Petersburg, Florida, USA
Spieler

Walter Leo Hersch kommt als erster Sohn des Weinhändlers Hermann Hersch, Leistenstraße 17, und Eugenie Hersch, geborene Obermeyer, in Würzburg zur Welt. Sein jüngerer Bruder Friedrich Wilhelm Hersch wird am 21. Mai 1915 geboren. Bevor Walter Leo eine kaufmännische Ausbildung absolviert, besucht er das Neue Gymnasium und das Realgymnasium. Als Kaufmännischer Angestellter wir er in das Berufsleben starten.

Schon früh hat sich Walter Leo dem Fußball verschrieben. Bereits in jungen Jahren spielt er in den Jugendmannschaften des 1. Würzburger Fußball Verein 04 (FV 04). Übergangslos wird er 18jährig sofort Stammspieler der 1. Mannschaft. Hier trifft er auf den neuen, 34jährigen Trainer Sepp Müller. Dieser, ein gebürtiger Würzburger, kommt als frischgebackener Deutscher Meister an die Frankfurter Straße, wo der FV 04 in Stadtteil Zellerau beheimatet ist. Mit der SpVgg Fürth gewann er in der Vorsaison 1925/26 als Stammspieler diesen Titel. Geprägt wird er dort von der Fußballphilosophie des englischen Erfolgstrainer William Townley.

Es gelingt den mehrfachen deutschen Nationalspieler Müller, die Siegermentalität auf seine neue Mannschaft zu übertragen. Am Ende der Saison steht für den FV 04, mit Walter Leo Hersch im Angriff, 1927 der Aufstieg in die Bezirksliga, der damals höchsten Spielklasse. Auch hier weiß Walter Leo durchschlagend zu überzeugen. Mit 16 Treffern steuert er die Hälfte aller erzielten Tore der Saison 1927/28 bei. Zu Saisonschluss steht ein überragender 4. Tabellenplatz zu Buche.

Das junge Talent weckt nun aber auch Begehrlichkeiten bei anderen Vereinen. So wird man auch in München auf ihn aufmerksam. Der dortige Deutsche Sportverein (DSV) lockt mit einem lukrativen Arbeitsplatz. Zur neuen Saison 1928/29 verlässt Walter Leo Hersch den FV 04. In München scheint er aber nicht heimisch zu werden. Nach zwei Spielzeiten kehrt er wieder zu seinem Heimatverein zurück. Als der FV 04 Pfingsten 1930 zu einer Reise in den hohen Norden aufbricht, mit Spielen gegen Viktoria Hamburg und Holstein Kiel, ist Walter Leo bereits wieder mit an Bord.

In der Folgesaison 1930/31 überzeugt er zunächst wieder regelmäßig und tritt als zuverlässiger Torschütze in Erscheinung. Auch privat tut sich etwas im Leben von Walter Leo. In der Vereinszeitung erfahren die Mitglieder, dass er sich verloben wird. Auf dem Spielfeld jedoch, scheint ihm das Glück zukünftig nicht mehr hold zu sein. Bereits im ersten Spiel der neuen Saison 1931/32 muss er verletzt ausscheiden und wird länger ausfallen. Nach überstandener Verletzung und auch 1932/33 wird er hauptsächlich für die Reservemannschaft auflaufen und nur noch sporadisch in der 1. Mannschaft eingesetzt. Bereits in den Jahren vor 1933 sieht er sich gelegentlich bei den Spielen für seinem Verein antisemitischen Beleidigungen ausgesetzt.

Nach der Machtübernahe der Nationalsozialisten Ende Januar 1933 schließt der FV 04 bereit in den Folgemonaten Walter Leo Hersch und zahlreiche weitere Mitglieder, ihrer jüdischer Herkunft wegen, aus. Er tritt dem jüdischen Klub ITUS Würzburg und der dortigen Fußallmannschaft bei. In den folgenden Jahren wird er regelmäßig in die bayerischen und süddeutsche Makkabi-Auswahl berufen. Als im April 1935 in Palästina die Makkabiade stattfindet, ist der der einzige Spieler aus Bayern, der der Deutschen Auswahl angehört. Im Finale des Turniers unterliegt das deutsche Team mit Mittelstürmer Walter Leo Hersch der Mannschaft von Rumänien.

Im September 1935 treten die sogenannten „Nürnberger Rassegesetze“ in Kraft. Walter Leo gerät, der Beziehung zu seiner Verlobten wegen, in den Fokus der Geheimen Staatspolizei. Seine Partnerin ist in den Augen der Machthaber eine „Arierin“, er ein „Nicht-Arier“ „So gilt deren Verhältnis als sogenannte „Rassenschande“. Als die Gestapo plant, ihn verhaften zu wollen, wird er von einem Mitglied des FV 04 gewarnt und in einer Nacht- und Nebelaktion nach Aschaffenburg gebracht, wo er in der Folgezeit auch leben wird. Bevor ihm die Emigration gelingen wird, lebt er zeitweise in Frankfurt am Main und in Stuttgart.

Im Mai 1939 flüchtet Walter Leo Hersch über Antwerpen, Belgien nach New York, USA, Sein Bruder Friedrich Wilhelm lebt hier bereits seit einem Jahr. Ihren Eltern wird die Flucht nicht gelingen. Vater Hermann, der Teilnehmer des Ersten Weltkrieges war, wird 1935 denunziert. Angeblich soll er den Hitler-Gruß verspottet haben. Unter Androhung von Schutzhaft wir der von der Gestapo verwarnt. Am 23. September 1942 werden er und seine Frau nach Theresienstadt deportiert. Die Mutter stirbt dort schon kurze Zeit später am 11. Oktober 1942 im Alter von 62 Jahren. Nicht einmal drei Monate darauf wird dort auch Vater Hermanns Leben am 4. Januar 1943 ein Ende gesetzt. Walter Leo heiratet in New York Anfang der 1940er Jahre die aus Seligenstadt in Hessen stammende Rosl Lilie. Am 27. August 1945 wird Sohn Ronald Gordon geboren. Ende 1945 erhält Walter Leo die US-Amerikanische Staatsbürgerschaft.

Sportlich betätigt er sich bereits seit 1940 wieder in der Fußballmannschaft von Makkabi New York. Zu seiner sportlichen Heimat in Würzburg hält er aber auch weiterhin Kontakt. In den Nachkriegsjahren wird er öfters nach Würzburg zurückkehren, so auch im Sommer 1954 als der FV 1904 sein 50-jähriges Jubiläum feiert.

Am 27. März 2005, wenige Tage nach seinem 97. Geburtstag, verstirbt Walter Leo Hersch in Saint Petersburg, Florida, USA. Der Würzburger FV, Nachfolgeverein des 1. Würzburger Fußball Verein 04, initiiert zwei Jahre später im Juni 2007 die Verlegung von Stolpersteinen in der Leistenstraße. Diese erinnern heute an die Ermordung von Hermann und Eugenie Hersch im Jahre 1942, den Eltern von Walter Leo Hersch.

Autor: Andreas Wittner

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