Karl Hellmann

Geboren am 16.09.1899
Ermordet im Holocaust
Mitglied
Schiedsrichter

Karl Hellman wird am 16. September 1899 im oberfränkischen Altenkunstadt bei Lichtenfels geboren. Seine Eltern sind Siegmund Hellmann und Philippine, geborene Freudenthal. Zu dieser Zeit leben in seiner Geburtsstadt unter den 1.219 Bewohner 65 mit jüdischen Wurzeln. Darunter auch die Familie Hellmann, die bereits seit mehreren Generationen im Ort ansässig ist. Karl besucht die dortige Israelitische Volksschule in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg. In den letzten Kriegsjahren nimmt er auch selbst als Soldat an diesem teil, danach steigt er in den Betrieb seines Vaters ein. Dieser unterhält ein Fachgeschäft für Öle, Fette und Schmierflüssigkeiten im familieneigenen Anwesen Hausnr. 56, heute Judengasse 4. Als Außendienstmitarbeiter kennt man Karl im ganzen Landkreis als eine geschätzte Person. Er gilt als Altenkunstadter Original.

Im Vereinsleben seiner Heimatgemeinde spielt Karl Hellmann eine führende Rolle. Fußballspezifisch allerdings, ist er auf der anderen Seite des Mains, im benachbarten Burgkunstadt, zuhause. Der dortige 1. FC 1911 ist in den 1920er Jahren in der zweithöchsten Liga, der A-Klasse, beheimatet. Für diesen Verein ist Hellmann als Schiedsrichter aktiv. Seine Fußballbegeisterung ist allgemein bekannt.

Ebenso seine leidenschaftliche Begeisterung für den 1. FC Nürnberg, den damaligen Rekordmeister des deutschen Fußballs. Sehr oft nimmt er in dieser Zeit mit weiteren Burgkunstadter Club-Fans die über 100 Kilometer einfache Strecke nach Nürnberg und zurück mit dem Motorrad auf sich, um die damals legendäre Elf der 1920er Jahre um Torwart Heiner Stuhlfauth und Mittelläufer Hans Kalb zu bewundern und zu unterstützen.

Als am 30. Januar 1933 die Nationalsozialisten in Deutschland an die Macht kommen, leben unter den mittlerweile 1.867 Altenkunstädtern noch 31 Juden. Karl Hellmann hatte Ende der 1920er Frieda Kahn, geboren am 12. Oktober 1902, geheiratet. Am 19. Dezember 1930 kommt Sohn Siegmund zur Welt.

Für die junge Familie und den weiteren Altenkunstädtern jüdischer Herkunft zeichnet sich in den folgenden Monaten des Jahres 1933 unmittelbar die antisemitischen Maßnahmen der neuen Regierung ab. Zum 1. April kommt es zum ersten landesweiten Aufruf und der Umsetzung zum Boykott aller jüdischen Geschäfte. Auch in Altenkunstadt. Nachdem sich in den folgenden Jahren zahlreiche Bewohner der Stadt den jüdischen Geschäftsleuten weiterhin die Treue halten, erhält der Bürgermeister von verschiedenen NSDAP-Funktionären Drohbriefe, da er nicht für die Boykottumsetzung sorge. Hoffnung auf Besserung der Verhältnisse keimen bei Karl Hellmann wohl auf, als er am 14. September 1935 im Namen des Führers mit dem „Frontkämpfer-Ehrenzeichen“ als Teilnehmer des 1. Weltkrieges ausgezeichnet wird. Einen Tag später allerdings, werden die sogenannten „Nürnberger Gesetze“ erlassen, die zukünftig für die juristische Grundlage der Umsetzung der antisemitischen, rassistischen und menschenverachtenden Ideologie in Deutschland sorgen werden.

Am Vormittag nach der Reichspogromnacht vom 9. November 1938 wird Hellmann mit weiteren vier Altenkunstädter Juden in die Burgkunstadter Vogtei verschleppt, später werden sie in das Gefängnis von Hof gebracht. Dort wird ihnen mitgeteilt, dass ihre Geschäfte, Häuser und Grundstücke unverzüglich in „arische Hände“ überführt werden müssen. Den Großteil der Grundstücke und Immobilien ersteht die Gemeinde, ohne diese auch nur annähernd mit den regulären Preisen zu vergüten. Nach 19 Tagen wird Karl Hellmann aus der Haft entlassen. Sohn Siegmund darf seit dem 15. November nicht mehr die katholische Volksschule besuchen.

Am 20. Juni 1939 verlässt die Familie nahezu mittellos ihre fränkische Heimatstadt. Sie ziehen nach Leipzig, wo Karls Schwester Jenny bereits viele Jahre lebt und als Krankenschwester im Israelitischen Krankenhaus arbeitet. Zum 30. April 1939 trat in Deutschland das „Gesetz über Mietverhältnisse mit Juden“ in Kraft. Es erfolgte kraft dieses Gesetzes ein Zwangsumzug in sogenannte „Judenhäuser“, die sich allesamt im jüdischen Besitz befinden mussten und nur von Juden bewohnt werden durften. In Leipzig gab es ab diesem Zeitpunkt 47 dieser „Judenhäuser“. Eines dieser war das Anwesen Walter-Blümel-Straße 10, der heutigen Löhrstraße 10. Hier war die Israelitische Kultusgemeinde Leipzig beheimatet und fortan auch die Familie Hellmann. Karl Hellmann arbeitet nun als Bestattungshelfer und Bote.

Am 21. Januar 1942 erfolgt eine erste Deportation von Leipzig aus. Es folgen weitere in den nächsten Jahren. Als am 26. Februar 1943 561 in Leipzig lebende Juden über Berlin in den Osten deportiert werden, befinden sich die Familie Hellman darunter.

Auf der Deportationsliste wird auch der Name von Denny Hellmann, Walter-Blümel-Straße 10, geboren am 14. Juli 1941, aufgeführt. Es ist davon auszugehen, dass es sich dabei um ein weiteres Kind von Karl und Frieda handelt.

Karl Hellmann, seine Ehefrau Frieda, Sohn Siegmund und Tochter Denny sowie seine Schwester Jenny werden Anfang März 1943 im Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz ankommen und dort ermordet.

Autor: Andreas Wittner

Literaturverweise
Motschmann, Josef – Es geht Schabbes ei – Vom Leben der Juden in einem Fränkischen Ort [Altenkunstadt], Lichtenfels 1988
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