Podiumsdiskussion über Identität im Ruhrgebiet

„Fußball und Identität im Ruhrgebiet“ lautete das Thema einer prominent besetzten Podiumsrunde am Montag im Deutschen Fußballmuseum.

Warnung vor klischeesierter Romantik

Der langjährige Präsident des Deutschen Bundestages Prof. Dr. Norbert Lammert, die Kanzlerin der Ruhr-Universität Bochum Dr. Christina Reinhardt, der Direktor des Ruhr Museums Prof. Heinrich Theodor Grütter und der Direktor des Deutschen Fußballmuseums Manuel Neukirchner diskutierten u.a. darüber, inwieweit der Fußball nach wie vor als Imageträger und gesellschaftlicher Kitt für die Region funktioniert und ich welcher Weise der Strukturwandel dazu beiträgt, dass das Ruhrgebiet nicht länger nur als reine Industriemetropole wahrgenommen wird.

Dr. Christina Reinhardt, seit 2022 auch Präsidiumsmitglied beim Fußball-Bundesligisten VfL Bochum: „Ich finde es spannend, im Akademischen und beim Fußball in zwei völlig unterschiedliche Welten eintauchen zu dürfen. Zudem erholt man sich bei dem einen von dem anderen. Angesichts von lediglich sieben in Entscheidungsgremien des Profi-Fußballs beteiligten Frauen ist ein Nachholbedarf an weiblicher Teilhabe offensichtlich. Da sind wir an den Universitäten wesentlich weiter. Mir gefällt die direkte Sprache des Fußballs, an der Uni wird verklausulierter debattiert. Im Vergleich zu meiner schwäbischen Heimat nehme ich das Ruhrgebiet als bunter, toleranter und offener wahr.“

Prof. Dr. Norbert Lammert: „Es ist ein interessantes Phänomen, dass die Identifikation der Menschen mit dem Ruhrgebiet in dem Moment rapide zugenommen hat, als klar war, dass der über Jahrzehnte prägende Bergbau beendet wird. Gleichwohl hat der Bergbau wie auch der Fußball eine lebendige Kulturlandschaft hervorgebracht und zum Selbstbewusstsein der Ruhrgebietsgesellschaft beigetragen. Als 1997 die Stahlkrise erneut zum massiven Verlust von Arbeitsplätzen führte, wurden sogar zeitweilig alte Rivalitäten drittrangig und die Schalker und Dortmunder feierten gemeinsam den Ruhrpott als Heimat des Champions-League- und UEFA-Cup-Siegers. Dadurch wurden auch unaufhaltsame Veränderungen kompensiert, die sich durch das Wegbrechen der ökonomischen Basis entwickelten. Damit das Ruhrgebiet sich in Zukunft aus seinem zuweilen provinziellen Status lösen kann, bedarf es vor allem auch einer Stärkung und Modernisierung der Verkehrsinfrastruktur, insbesondere auch mit Blick auf die notwendige Zusammenlegung der Verkehrsbetriebe. Aber das ist ein Thema für sich.“

Prof. Heinrich Theodor Grütter: „Das Ruhrgebiet ist die ehemals größte Industrieregion in Europa und zählt immer noch zu den Top 5. Die einstige Blüte des Bergbaus spiegelt auch die Ambivalenz der Region. ‚Unter Tage‘ wurde Heroisches geleistet, die Arbeit wurde gut bezahlt, am Ende des Berufslebens folgte jedoch die Ernüchterung, weil viele Bergleute zu Invaliden wurden. Der Zusammenhalt, das Bodenständige und das Sich-aufeinander-verlassen-können waren für das Überleben im Stollen zwingend erforderlich. Das sind Werte, die sich auch auf den Fußball übertragen haben und die Bindung der Menschen an diese Region prägen. Auf diese Weise besitzt der Fußball enorme Integrationskraft. Zudem sorgt er für kollektive Erinnerung. Jeder hier weiß noch genau, wo und wie er die großen Siege, aber auch die bitteren Niederlagen erlebt hat. Wir müssen jedoch auch aufpassen, nicht einer auf Bergbau und Fußball basierten klischeesierten Romantik zu verfallen. Das kann kein Modell für die Zukunft des Ruhrgebiets sein.“

Manuel Neukirchner: „Mit Dortmund und Gelsenkirchen wird im kommenden Sommer die UEFA EURO 2024 gleich an zwei Orten im Ruhrgebiet ausgespielt, das damit in besonderer Weise in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit in Europa rückt. Wissenschaft, Kultur, Technologie und Innovationen sind die großen Treiber und Perspektivgeber für diese Region, die sich in den vergangenen Jahrzehnten transformiert und neu definiert hat. Der Fußball als Identitätsstifter ist dabei zur verlässlichen Konstante geworden. Er mildert die Furcht vor dem Neuen und sorgt mit seiner einzigartigen Dichte an Vereinen für besonderes Maß an Identifikation.“

Die von Jörg Thadeusz kompetent und unterhaltsam moderierte Veranstaltung gehört zum Begleitprogramm der Sonderausstellung „Mythos & Moderne. Fußball im Ruhrgebiet“, die gemeinsam vom Deutschen Fußballmuseum und dem Ruhr Museum konzipiert wurde und auf dem UNESCO-Welterbe Zollverein in Essen zu sehen ist.

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