Eugen Salomon

Geboren am 05.03.1888 in Wörrstadt, Deutschland
Gestorben am 13.11.1942 in Auschwitz-Birkenau
Ermordet im Holocaust
Funktionär
Vorsitzender, Spielausschussvorsitzender

Eugen Salomon ist ohne Zweifel die prominenteste Persönlichkeit des 1. FSV Mainz 05 in den 40 Jahren seiner Historie, in denen der Verein noch nicht so hieß, und gleichzeitig wegen der wenigen vorhandenen Quellen eine schwer greifbare Person. Salomon, geboren am 5. März 1888 in Wörrstadt, ermordet am 14. November 1942 in Auschwitz-Birkenau, gilt heute als Vereinsikone bei Mainz 05, aber wer der einzige 05er, der in Mainz mit einem Straßennamen geehrt wird, überhaupt war, ist schwer zu beantworten.

Relativ klar ist, wer Eugen Salomon nicht war: Er war nicht der Gründer von Mainz 05 - die Namen der acht jungen Leute, die am 27. März 1905 im Café Neuf die erste Generation des Vereins bildeten, sind bekannt und Eugen Salomon war nicht unter ihnen. Er war auch nicht der erste Präsident von Mainz 05, das war Karl Finkenauer, der jedoch sehr schnell aus den Chroniken verschwand und bis auf die Erwähnung seiner Präsidentschaft keinerlei Spuren hinterließ.

Salomons Spuren sind zahlreich und unübersehbar. Der 17-Jährige aus dem rheinhessischen Städtchen Wörrstadt, gut 20 Kilometer vor dem Mainzer Gautor, wo die 05er ihre ersten Spiele austrugen, war in der Konsolidierungsphase nach der Gründung der tatkräftige Organisator des jungen Vereins. Salomon arbeitete die Satzung aus, mit der sich das "Wilde Gebilde" - so die Eigenbezeichnung der Ur-05er in ihren ersten Monaten - im Oktober 1905 konstituierte. Bei jener außerordentlichen Mitgliederversammlung wurde Salomon zu Finkenauers Nachfolger gewählt. Würde man den nicht genau datierten Termin im Oktober als Gründungstag annehmen, wäre Eugen Salomon durchaus Gründer und erster Präsident, es würde jedoch bedeuten, ein halbes Jahr aus der Vereinshistorie hinauszudefinieren, das in jeder Phase der 05-Geschichtsschreibung als Teil jener Historie behandelt wird.

Bereits 1930 nennt die zweite Jubiläumsfestschrift der 05er den offenbar früh dem "Wilden Gebilde" beigetretenen Salomon einen "Mann der Tatkraft, des raschen Entschlusses und schnellen Handelns, der, wenn es galt, jederzeit für seinen Verein in die Bresche sprang und auch im Jubiläumsjahr noch seine verdienstvolle Kraft als Spielausschußvorsitzender dem Verein in voller Gesundheit und reger Anteilnahme zur Verfügung stellt." Schon im folgenden Satz wird die Lobrede auf Salomon jedoch nebulös: "Welche Tragik gerade mit diesem Namen verbunden ist, wissen nur die Wenigsten von uns." Worauf der Autor anspielt, ist völlig unklar.

Klar ist, dass Salomon nach höchstens vier Jahren und neun Monaten das Präsidentenamt abgab, wahrscheinlich (möglicherweise unwesentlich) früher. Es könnte mit seinem Wehrdienst zusammenhängen; zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt vor dem Ersten Weltkrieg war er im damals noch deutschen Lothringen stationiert, wo er später heiratete, 1914 und 1917 Vater dreier Kinder wurde (eines verstarb als Säugling) und ein Textilgeschäft eröffnete. Nach dem Krieg, in dem er als Offizier gegen Frankreich gekämpft hatte, musste er als feindlicher Ausländer seine nun an Frankreich gefallene Wahlheimat verlassen und kehrte mit seiner Familie nach Mainz und zu Mainz 05 zurück.

Bei seinem Verein blieb Salomon zunächst im Hintergrund. Wann er wieder ein offizielles Amt übernahm, ist unsicher. Bereits 1919/20 trug er mit einem hohen Betrag zur Finanzierung des neuen Mainzer Stadions am Fort Bingen (wenige hundert Meter südlich des Stadions am Bruchweg auf dem heutigen Universitätsgelände) bei. Offenbar im Laufe der Saison 1929/30 wurde Salomon Mitglied des Spielausschusses, 1931 dessen Vorsitzender. Die Festschrift von 1955 führt ihn zudem als Vereinsvorsitzenden während der Saison 1930/31 an, das Vereinsregister jedoch nennt eine lückenlose Abfolge der Vorsitzenden von 1926 bis 1939, der Salomon nicht angehört. Möglicherweise war der Spielausschuss-Chef vor Ende Juli 1930 kurzzeitig Interimspräsident.

Beruflich hatte Salomon in den 1920ern einen schweren Rückschlag zu verkraften: Sein Mainzer Textilgeschäft fiel der Weltwirtschaftskrise zum Opfer, Salomon fand Arbeit als Textilvertreter. Vielleicht ist das die Tragik, auf die die 1930er-Festschrift anspielt, möglicherweise verhinderte regelmäßige berufsbedingte Abwesenheit eine größere Rolle Salomons bei Mainz 05.

Bereits kurz nach der Machtübernahme der NSDAP verließ Salomon mit seiner Familie die Heimat nach Frankreich. In Saint-Avold, der Heimatstadt seiner ebenfalls jüdischen Ehefrau Alice, eröffnete er erneut ein Textilgeschäft. Nach Kriegsausbruch wurde die grenznahe Region evakuiert, die Familie Salomon musste erneut umsiedeln. Im Inneren Frankreichs wurde Eugen Salomon schließlich am 6. Oktober 1942 verhaftet, einen Monat später nach Auschwitz deportiert und dort am 14. November 1942 ermordet. Seiner Familie war die Flucht in den unbesetzten Teil Frankreichs gelungen.

Bis in die 2010er war Salomons Schicksal nicht bekannt. Den Besuch seines Sohnes, der im 50. Jubiläumsjahr berichtete, dass "die Familie emigrieren konnte und sein Vater mittlerweile verstorben war" - 1955 wäre Eugen Salomon 67 Jahre alt gewesen - interpretierte man bei den 05ern als Zeichen, auch er sei der Shoa entkommen.

Im Mainzer Stadtbild wird an zwei Stellen an Eugen Salomon erinnert: Seit 2011 trägt die neu angelegte Zufahrtsstraße zum Mainzer Bundesligastadion seinen Namen. 2013 wurden an seinem 125. Geburtstag im Beisein mehrerer Nachkommen vor seinem einstigen Wohnhaus in der Boppstraße 64 vier Stolpersteine für Eugen, Alice und die Söhne Albert und Erwin verlegt.

Autor: Christian Karn

Diese Seite teilen
URL