Ernst Alexander, in der Jugend Spieler des FC Schalke 04., Quelle: Nationaal Archief Den Haag

Ernst Alexander

Geboren am 05.02.1914 in Gelsenkirchen, Deutschland
Gestorben am 28.08.1942 in Auschwitz
Ermordet im Holocaust
Spieler

Zu Beginn des Jahres 1933 spielt der 18-jährige Ernst Alexander in der Nachwuchsabteilung des FC Schalke 04, dessen erste Mannschaft im Vorjahr im Halbfinale um die Deutsche Meisterschaft knapp an Eintracht Frankfurt gescheitert ist. In dieser Saison wird die Mannschaft um Ernst Kuzorra, Fritz Szepan und Ötte Tibulsky sogar das Finale erreichen, im folgenden Jahr erstmals Deutscher Meister werden und bis 1942 fünf weitere Titel erringen. Zu den Talenten aus den eigenen Reihen, welche die Knappen regemäßig in die Seniorenmannschaft einbauen, kann Alexander jedoch nicht gehören. Denn als die Nationalsozialisten Anfang 1933 an die Macht in Deutschland gelangen, beenden sie mit dem umgehenden Verbot für Juden, Mitglied in einem Sportverein zu sein, jäh seine hoffnungsvolle Karriere.

Alexander wird am 5. Februar 1914 als Sohn einer jüdischen Kaufmannsfamilie in Gelsenkirchen geboren. Bis Januar 1929 besucht er das Realgymnasium zu Gelsenkirchen, das heutige Grillo-Gymnasium. Im Lebensmittelladen seiner Eltern absolviert er eine Ausbildung zum kaufmännischen Angestellten. Als sein Vater Georg Alexander das Geschäft schließen muss, findet Sohn Ernst Arbeit als Telefonist im Carsch-Kaufhaus in der Nähe des Gelsenkirchener Hauptbahnhofs. Doch auch dessen jüdische Besitzer werden 1938 von den Nationalsozialisten zur Geschäftsaufgabe gezwungen.

Im Juni 1938 wird Georg Alexander von der Gestapo verhaftet und in das Konzentrationslager Sachsenhausen deportiert. Ein Erlebnis, das seine Frau Ella derart traumatisiert, dass sie sich das Leben nimmt. Unter dem Eindruck des Selbstmords der Mutter und der Reichspogromnacht entschließen sich Ernst Alexander sowie seine jüngeren Geschwister Alfred und Johanna im Dezember zur Flucht in die Niederlande. Dort verlieren sie sich an ihrem vermeintlich sicheren Zufluchtsort aus den Augen – für immer.

Alexander wird zunächst verhaftet und am 19. Dezember 1938 im Flüchtlingslager bei Hoek van Holland (heute ein Stadtteil von Rotterdam) registriert. Im April 1939 wird er ins Lager Reuver verlegt, bevor er wiederum im August nach Hoek van Holland zurückgebracht wird. In Rotterdam schließt er sich zunächst dem Fußballverein Xerxes an, Erstligist in der Klasse West I, wechselt dann zu Achilles, ebenfalls in der Hafenstadt ansässig. Am 23. November 1939 wird Alexander schließlich nach Westerbork verlegt, das die Niederländer zum zentralen Flüchtlingslager ausbauen. Von der dortigen Leitung erhält er weiterhin Freistellungen für die Spiele von Achilles.

Nach dem Einmarsch der Wehrmacht in die Niederlande machen sich die Besatzer die bestehende Infrastruktur auf perfide Weise zunutze: Da in Westerbork alle geflüchteten Juden aus Deutschland versammelt sind, funktionieren es die Nazis ab Juli 1942 in ein zentrales Durchgangslager um und deportieren die Gefangenen nach Auschwitz, Bergen-Belsen, Buchenwald, Ravensbrück, Sobibor oder Theresienstadt.

Alexander muss am 15. Juli 1942 den Zug besteigen. Zynisch suggeriert ein Schild am Waggon, dass dieser samt Insassen auch wieder zurückfährt. Doch nur etwas mehr als einen Monat später, am 28. August 1942, ermorden die Nazis den Gelsenkirchener in Auschwitz. Ernst Alexander wird nur 28 Jahre alt.

Auch der Rest der Familie erleidet ein grausames Schicksal. Alfred ist bereits im Februar 1942 im KZ Mauthausen umgebracht worden. Vater Georg, im Dezember 1938 wieder auf freien Fuß gekommen, hat die Heimatstadt nicht mehr verlassen können und wird am 27. Januar 1942 nach Riga deportiert. Er gilt als dort verschollen und ist höchstwahrscheinlich ermordet worden. Nur Johanna überlebt die Shoah. Ihr Leidensweg führt von Westerbork über das KZ Stutthof und das Ghetto Theresienstadt nach Auschwitz. Dort wird sie am 27. Januar 1945 von der Roten Armee befreit. Sie kehrt nach Gelsenkirchen zurück, wo sie am 17. August 1969 stirbt. Zeit ihres Lebens erzählt Johanna Alexander ihren Kindern nicht, dass sie einst zwei Brüder hatte.

Beim FC Schalke 04 ist der grausame Leidensweg von Ernst Alexander inzwischen nicht mehr vergessen. An der Tausend-Freunde-Mauer der VELTINS-Arena, seit 2001 Spielstätte, hat ihm der Club wie vielen anderen jüdischen Schalkern 2013 mit einer Gedenktafel eine bleibende Erinnerung geschaffen.

Beginnend mit der 2004 beim Institut für Stadtgeschichte Gelsenkirchen beauftragten unabhängigen wissenschaftlichen Studie „Schalke 04 im Nationalsozialismus“ hat der Club seine Historie in der Zeit des Dritten Reiches erforscht. „Das Gegenteil von Liebe ist nicht Hass, sondern Gleichgültigkeit“, diese bittere Erkenntnis von Elie Wiesel trifft ohne Zweifel auf die Knappen in dieser Zeit zu. Der Verein hat sich damals nicht schützend vor seine jüdischen Mitglieder gestellt. Er hat damals weggesehen, als sie entrechtet, verfolgt, deportiert und ermordet wurden.

Nie wieder gleichgültig zu sein, ist das Gebot, das sich daraus für den FC Schalke 04 ergibt: Wer andere Menschen ausgrenzt, hat auf Schalke keinen Platz. Kumpel stehen füreinander ein. Schalker machen sich für Menschen stark, die diskriminiert werden. Deshalb hat der Verein die „Ernst Alexander Auszeichnung“ ins Leben gerufen, die seit 2018 verliehen wird. Mit dieser Auszeichnung holt Schalke 04 Ernst Alexander und alle anderen jüdischen Mitglieder, die entrechtet, verfolgt und ermordet wurden, symbolisch in die Vereinsfamilie zurück. Mit der Auszeichnung ehrt der FC Schalke 04 Menschen, Gruppen und Initiativen, die sich für Integration, Vielfalt und Toleranz einsetzen.

Dazu hat der Club ein weiteres Zeichen gesetzt. Die Straßen und Wege auf dem weitläufigen Vereinsgelände sind nach berühmten und erfolgreichen Spielern des Clubs benannt. Seit dem 6. Februar 2020 gibt es hier nun auch den Ernst-Alexander-Weg.

Autor: Christine Walther / Thomas Spiegel

Literaturverweise
"Spurensuche - Jüdische Schicksale auf Schalke", Gelsenkirchen 2019; Königsblau, Die Geschichte des FC Schalke 04, Gelsenkirchen 2015; Dr. Stefan Goch / Norbert Silberbach, Zwischen Blau und Weiß liegt Grau: Der FC Schalke 04 in der Zeit des Nationalsozialismus, Gelsenkirchen 2005
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